Wir sagen: Eigene Schienen, eigener Zug!
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Connaisseur_J sagt:
Und au?erdem: Ia habbd ja gahnix verstand’n.
Deichkind haben für den Elektrozug eine neue und ganz eigene Antriebstechnik entwickelt. Ihre eigene Lok vor den Zug gespannt, die Wagen in Neon-Farben lackiert, das Interieur zerstückelt und die Sitze gegen Hüpfburgen ausgetauscht. Um uns den Ritt unseres Lebens zu präsentieren. Von wegen rechtzeitig aufgesprungen….. Pah!
- 2. Dicker Bauch
So eine Nummer kann nur auf einem Deichkindalbum ein zu Hause finden. Ohrwurrrrrrmmm…Dicker du dicker du dicker bauauch - 5. 23 Dohlen
An dieses Stück mu? ein Literaturkritiker ran! Das textliche Meisterwerk des Albums. Vielleicht geht es dann weiter, vielleicht aber auch nicht. - 12. Hoverkraft
Ein Hit, ohne Frage ein Hit…….auf und ab…… Hoverkraft Komisch, wenn ich die Nummer höre will ich sofort Autoscooter fahren – aber erklären kann ich das nicht. - 13. Komm rüber
Reminiszenz an Muttis fünf Minuten, in dem Bad mit dem Schaum, Schaum. Auch ein typisches Deichkind.
Connaisseur_M sagt:
Nun, wo aber auch das rum ist, muss ich Farbe bekennen. Bei der letzten Rezension habe ich mich ja schon leidlich daran abgearbeitet, dass die Kreatoren des wohl unerreichbarsten HipHop Albums aller Zeiten plötzlich auf BumBumm für Arme machen, daher kann ich das hier nicht wiederholen.
Sehen wir es daher mal nüchtern von der reinen Musik-Produkt-Seite:
Deichkind beweisen in fast erschreckender Klarheit, dass Sie genau verstanden haben, wie das aktuelle Musikbusiness funktioniert: Da Geld verdienen nur noch über Konzerte möglich ist, müssen die CDs bei den Fans vor allem
- Das Image der Band klar und direkt kommunizieren
- Lust auf die Live-Erfahrung machen
- Als Untermalung für das üben der Texte dienen
Was sich bei ??Limit?? leicht andeutete, bei ??Remmidemmi?? klar war, aber durch ??Show’n Shine?? noch Hoffnung auf Mehrdimensionalität machte, ist nun mit diesem Album einfach klar:
Deichkind ist der Soundtrack für den geplanten Kurzzeit-Eskapismus am Wochenende , die soundgewordene Flucht in hedonistische Eskapaden, die Klingeltonmelodie für die vom Jugendwohlstand ?berforderten, die mit Coolneszertifikat versehene Entrittskarte für die Bierdusche für distinktionsgeplagte Hipster, die Musik zur niemals endenden Flatrate-Party.
Das erreichen Deichkind vor allem durch:
- Die auf das allernotwendigste reduzierte Musik
Boller-Beats, eine Brätz-Bassline, ein bissel Geklingel reichen für einen höchst konservativen Euro-Techno-Boller-Sound. In manchen Tracks ist das soweit getrieben, dass es auf Kopfhörer kaum am Stück durchhörbar ist (z.B. bei “komm rüber“). - Die auf das notwendigste reduzierten Texte
Vorbei die Zeit, in dem jeder Track 3 Nominierungen für den Grimme-Preis einbrachte. Oft werden nur noch Aufzählungen aneinander gereiht (Berufe, Getränke, Dicke Personen, Computer-Fehler, …). Die Refrains sind überwiegend alle auch noch bei 4 Promille problemlos mit singbar. Die Messages sind klar ud deutlich. - Die Besetzung
Wenn man seinen Fans klar machen will, dass Deichkind für ??alkoholisierte Abfahrt von möchtegern Rabauken ohne Reue?? steht, ist die Aufnahme von Ferris MC in der Band als schlichtweg genial zu betrachten. Die andere Erklärung wäre, dass das Arbeitsamt ihm die Band-Tätigkeit als 1-Euro-Job anerkennt und er damit weiter Harz IV bekommt.
Ich könnte noch weiter machen (Artwork, Promo, …) aber you get the message. In Summe halte ich das für eine der überzeugendsten Produktpräsentationen im deutschen Musikbusiness.
Auf dem Live-Konzert funktioniert das alles dann wunderbar: Die Musik ist deswegen so minimal, weil es live vor allem auf das Bumm-Bumm-Bumm ankommt und Feinheiten nur stören würden. Die Texte sind deswegen so einfach, weil da das Publikum perfekt mitmachen kann.
Es gab keine Pausen, sondern über 2 Stunden durchgehenden Beat. Alle Tracks wurden ineinander gemischt. “Arbeit nervt”, “hört ihr die Signale”, “Metro”, “gut dabei” und “Travelpussy” kann man eigentlich nur von den Texten her voneinander unterscheiden. Ich kam mir vor wie auf einem 90er Jahre Kommerzhallenrave. Das Publikum sah mit den vielen Neon-bestickten Mülltüten-RemmiDemmi-Teenies auch verdächtig so aus.
Es fand keine Kommunikation mit dem Publikum statt. Die Show wurde abgespult und nach er obligatorischen einen Zugabe war’s dann rum. In Summe eigentlich eine 1a Folklore-Darbietung wie man sie von Bustouren auf Hawaii, Tunesien oder sonstwo kennt (bunte Gewänder und rumgehüpfe für Toristen). Oder wie eine Disney-Land-Show (??15:00 Uhr: das total verrückte Hüpf-Konzert??).
Das klare Produktkonzept ist dabei auch der Schwachpunkt der Konzerte, denn es sieht deutlich weniger spontan aus, wie noch beim letzten Album. Man sieht einfach an zu vielen Stellen, dass es eine sauber einstudierte Choreografie und keine Party mehr ist.
In Summe hat mich das Konzert aber total begeistert, weil viel für’s Geld geboten wird und deutlich mehr passiert als in einer der aktuellen Musical-Produktionen. Man muss aber wissen, was einen erwartet. Im von der Band selbst geschaffenen Genre ??Techno-Clowns für alle ab 2 Promille?? haben sie sich mit diesem Album und der Tour nun auf jeden Fall sehr gut positioniert.
Ob Deichkind langfristig aber genau diese uneingeschränkte (zur Rezeption notwendig gewordene) Konsumhaltung bei Ihren Fans bewirken wollten, darf bezweifelt werden.
Also Brülle ich fliessig ??Arbeit nervt?? und trauere still um die Kunstwerke vergangener Tage…
- 2. Dicker Bauch
(siehe oben bei Connaisseur_J) - 5. 23 Dohlen
Es bleibt Hoffnung. Das beste Stück des Albums. Hier scheinen die “wahren Deichkinder” durch. Auch der Sound ist mal nicht ganz so billig. - 6. Luftbahn
Das ist auch unverkennbar Deichkind: So klingt Ozone’s “Dragosta din tei” von Deichkind. Oder wie ein Eurovision Song Contest von Ralph Siegel. Ein dümmerer Text und eine kitschigere Melodie gehen einfach nicht. Das ist wie “Switch Reloaded” als Lied. Deichkind sagt selbst, dass sie manchmal Angst davor haben, das ihre Fans die Ironie ihrer Stücke nicht verstehen und tatsächlich glauben, was gesungen wird. Auch das funktioniert hier wunderbar. Eine absolute Perle.
Reinhören:
* Das Image der Band klar und direkt kommunizieren
* Lust auf die Live-Erfahrung machen
* Als Untermalung für das üben der Texte dienen
Völlig einverstanden damit!