Adventsrückblick 2005 – Türchen 7&8: 2raumwohnung – melancholisch schön

Connaisseur_M:

Hierüber zu schreiben macht einen Heidenspa?. Warum? Weil die Meinung über diese Platte sicherlich extrem unterschiedlich ausfallen kann. 2raumwohnung waren für mich immer das leuchtende Beispiel dafür, dass man innovative elektronische Musik auch Massenkompatibel verpacken kann. Tommi Eckhardt hat sowiso Narrenfreiheit, da er in den goldenen Raver Anfang-90er-Zeiten als "Perry & Rhodan" den unvergesslichen Hardtrance-Klassiker geschaffen hat, den keiner mehr zu kennen scheint oder sich im Nachhinein jetzt dafür schämt ("the beat goes straight on and on").

Aber zurück zum Album: Wieviel Geld muss man mit seinen Platten verdient haben, um so unersättlich zu sein wie die beiden hier? Oder wie schlecht muss der Künstlervertrag sein, dass die Plattenfirma einen Künstler zu so einem Album zwingen kann? Auf jeden Fall ist das billigere Verwertung als alle Kabel-1 Programmschemata dieser Welt, anbiedernder als jedes Teleshopping.

Man nehme:

  • die grö?ten 2raumwohnung-Hits
  • nehme sie im Bossa-Gewand mit Gitarre, einigen Keyboard-Einwürfen und dem üblichen Geraschel einfach neu auf
  • Dabei bediene man sich so unverschämt wie nur möglich der fiesesten Klischees, die Bossa und "Latin" hergeben.
  • Man formatiert damit eine unkonventionelle Musik in die absolute Schublade.

Das Ergebnis ist eine CD, die einfach ?BERALL ankommt! Es ist einfach zu fies. Vom steifen lebensfremden Feuilletonisten, der denkt "Huch, das ist echt südländisches Feuer!", über die üblichen Verdächtigen, bis hin zur Frauenzeitschrift für die "trendbewusste Frau von heute". Wenn das Wort "Brigitte-Alarm" bisher nicht erfunden wurde, dann tue ich das jetzt hiermit feierlich. Underground-Wimpster-Pseudo-Mainstream-Yuppietum war nie mehr existent als hier. Das sagen auch die werten Kollegen von laut.de, auf deren Rezension wir hier mal ungeniert verweisen, weil sie so amüsant ist.

Und jetzt kommt der schlimme Teil: Es funktioniert einfach genial gut! Mir gefällt diese CD einfach unheimlich! Kann man immer bei jeder Besuchs und Essensgelegenheit spielen. Passt in jede Gelegenheit und Altersgruppe. The Swiss Army Knife of Music sozusagen. Nur das Lied "Liebe" ist definitiv zu viel. Da wird auch mir nur noch schlecht. Aber was sagt dies insgesamt nun über den Rezensenten aus? Wird er alt? Sentimental? Verweichlicht? Mainstream? Gehört er schon zu denjenigen Kreisen und Gedankenwelten, von denen er sich sonst so abgrenzt? Keine Ahnung. Diese CD macht einfach Spa?. Und au?erdem finde ich auch "Juli" gut. Was ist da schon zu retten.

Stehst Du auch dazu?

Anspieltipp:

  • 01. melancholisch schön
    (Sü?stoff ist hier ein Fremdwort. Dieses Lied ist so überzuckert, dass kein Essig und kein Salz mehr hilft. Der Winter-Frühstücks-Knaller! "Da macht der Sonntag morgen einfach mehr Spa?" würde die Brigitte oder Amica oder Bunte oder so an dieser Stelle schreiben)
  • 05. Elaine und ich
    (Schrammel schrammel, säusel säusel, und dazu Kitsch-Strings vom feinsten)
  • 09. Wir trafen uns in einem Garten
    (Wer traut sich, darunter einen Amen-Break zu legen? Sagt mal jemand DJ Patife bescheid?)

Connaisseur_J sagt dazu:
Im Oktober dieses Jahres- der ja nunmal ausnehmend sonnig war- begab es sich, dass ich mit ein paar Freunden ein wirklich nettes Haus mit einem perfekten Garten (Hängematten!) weitab der Zivilisation bewohnte. Connaisseur_M gehörte natürlich zu den Teilnehmenden und wir beide hatten einiges an Musik und technischem Equipment dabei (und keine Nachbarn). Des abends sa?en wir also auf der Terasse, der Schweinebraten im Ofen hinter uns, ein kühles Bier in der Hand und der Sonnenuntergang vor uns. Und da meint M. er hätte jetzt die richtige Musik…… Und während uns der Geruch des Bratens um die Nase wehte, die Vögel ihre Abendlieder sangen und der Sonnenuntergang preisverdächtig vor sich hin kitschte kam “Melancholisch schön” aus den Boxen. Die Pferde preschten über die Koppel neben an, die letzten ?pfel fielen von den Bäumen, der letzte Abendhauch machte die Luft wie Watte – zum greifen nah war der perfekte Moment (nein, nicht die perfekte Welle auch wenn du Juli magst!). Und die Mukke war perfekt, den genauso triefend-kitschig wie der Moment.
Aber immer und überall hören? Weit gefehlt.
Habe ich diese CD seit dem wieder gehört?
Einmal in der Badewanne, bei Kerzenlicht nach einem anstrengenden Tag – auch passend. Aber sonst? Nein, Katja kann das Gebossa nicht haben – und wir sind uns einig, dass 2-Raumwohnung mit Beats einfach besser ist. Super Mixes, tanzbar und teilweise auch melancholisch.
Von daher: Ich kann das nicht oft hören und teilweise warte ich auf die Ansagen, was der Wurstaufschnitt an der Fleischtheke heute kostet oder im wievielten Stock ich mit dem Fahrstuhl jetzt angekommen bin.
Aber ja, es gibt so Momente, da muss es genau diese CD sein, weils anders nicht geht.
Ihr findet ich habe nichts über die Musik gesagt? Das macht heute mal nichts…… denn die Sonne geht gerade unter und es war ein anstrengender Tag, das Bärenfell liegt bereits vor dem Kamin, ich habe den Geruch von Maronen und Glühwein in der Nase………………………………

In die CD reinhören:

One Reply to “Adventsrückblick 2005 – Türchen 7&8: 2raumwohnung – melancholisch schön”

  1. *Brigitte-Alarm* (TM) … hehehe! Ich kenn die Scheibe zwar nicht, aber Bossa-Versionen sind ja gerade schwer in Mode: Nouvelle Vague, Bossa’n’Stones, …

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