Wer mein belangloses Vorgeschichtengeplaenkel überspringen möchte und mal wieder Jubelperser bei der Arbeit sehen möchte, der scrolle nach unten.
Das waren noch (Gründer-)Zeiten damals. Als hier in trauter Zweisamkeit Battlerezensionen statt fanden. Musikpolitische Diskurse elegischen Ausmaßes, die sicherlich noch nie jemanden außer den beiden Protagonisten etwas bedeuteten.
Aber alles wird anders. Und so hat sich mein treuer Gründungskollege mittlerweile ein Leben zugelegt, dass eigene Rezensionen nahezu unmöglich machen. Ich ging fest davon aus, dass er wenigstens noch Rezensionsaufträge delegieren oder outsourcen würde. Aber selbst dazu fehlt die Priorität. Statt dessen unausgesprochene Wünsche und Sehnsüchte, die sein stetig wachsender Mitarbeiterstab erfühlen und doch so gleich umzusetzen hat.
Solch einen unausgesprochene Erwartungshaltung äußerte er anlässlich eines jüngst stattfindenden Strategiesymposiums unseres Unternehmens in einem wichtigen Kurort dann sehr unterschwellig: Beim Abspülen in der Küche droppt also mein lieber Kollege einfach so ohne Vorwarnung das Lied “Perfect Fit“. Es ist die erste Single-Auskopplung aus dem dritten Album “Grippin’ World” des in Trier geborenen, mittlerweile in Berlin lebenden Niko Schwind. Es wurde, wie auch der Vorgänger, auf Oliver Koletzki’s Stil vor Talent Label veröffentlicht. Einem Musikkosmos eigentlich weit entfernt von meinem, dem ich maximal einmal im Jahr auf der Stuttgarter SEMF begegne. Wähnte ich zumindest. Hatte ich irgendwie unter “Deutscher Techno” falsch abgespeichert.
Alles falsch. Denn vor Ehrfurcht ob des Gehörten lies ich fast den Teller fallen: Ein (Deep-)House Track von zeitloser Einfachheit, Schönheit und Anmut. Andächtig ging ich auf die Knie. Und da hatte ich noch nicht mal die Vocals von Heartbeat gehört.
Sofort sandte ich das Album in unser Langzeitfolgenforschungslabor in Hong Kong. Dort lasse ich üblicherweise Alben einlagern, die dann konsequent 2 bis 3 Jahre ignoriert werden und dann Psychotherapeuten vorgespielt werden, die jedes mal denken es sei brandneue Musik. Wenn diese Gegenwartsverweigerer dann auch noch nach Jahren ein Album gut finden, dann muss es substantiell gut sein. Aber selbst diese Forschungseinheit musste das Album sofort hören und war – ungewöhnlich schnell – sofort begeistert.
Beim anschließenden Verschlingen des Albums wuchs die Begeisterung nur noch mehr. Ein Sample basiertes DeepHouse Retro-Album das irgendwie alles kann? Ist das zu schön um wahr zu sein?
Hervorzuheben ist das Sound Design vor allem bei den Drums, die sich alle eher akustisch (gesampelt) anhören und damit eher einen HipHop Vibe versprühen und sich so vom Deep House einerlei tausendfach gehörter Analogdrums abheben. Bei zwei Liedern dürfen es auch Breakbeats sein. Und ich dachte dass wäre in Deutschland verboten worden?
Vielleicht liegt meine Begeisterung nur daran, dass dieses Album so unglaublich 90er ist und mich an selige unschuldige Zeiten von St. Germain oder Shazz erinnert. Es platzt fast vor 90ies Bassläufen, der Art die Vocals einzusetzen, die Drums, sogar Snarewirbel (?!) – er trägt wirklich DICK auf. Trotzdem klingt es nicht wie ein Remake, er kriegt fast immer die Kurve. Eher wie Future Retro. Oder besser wie ein Klassiker.
Ein Deep-, Tech-, Classic-, Retro-House Album vom aller, aller, aller feinsten.
Und jetzt alle: Ju-bel Per-ser, Ju-bel Per-ser!
- 02. Perfect Fit (feat. Heartbeat)
ÜBERTUNE ALARM AUS ALLEN ROHREN. Und der Grund für diese Rezension. Besser kann man das alles nicht machen. - 06. Saturday
Hahaha das ist so simpel und remake. FRECHHEIT! Mit seinem 2014er Drop holt er es dann aber aus der Mief-Ecke und ROCKT! - 07. Suffering (feat. Sergi)
Wieder so ein, hm, Wahnsinnstrack. Fängt erst mit einer Definition von catchy Deep House Nummer an und verwandelt sich dann nach 4 Minuten in ein Pianomonster mit Schmachtvocal (hätte allerdings Sampha singen müssen) nur um dann beide Elemente zum Climax zu vereinen. WIE MACHT ER DAS? - 08. Grippin’ World (feat. Lil Magdalene)
Neunziger Alarm. Die Klarheit der Hihat, dieser ultra simple tausendfach gehörte Basslauf, die Raps/Texte dazu, das ist alles so unglaublich, so unglaublich kohaerent. Mein Haar streift den Teppich bei meiner Verneigung. - 11. Niko Schwind & Dunwich – Higher Love (feat. Serge Erège)
Super Beispiel für das Spiel mit dem Retro Feuer. Es ist sooo knapp am “too much nineties”, dass es dadurch irgendwie noch besser wird. Nur die 80ies Vocals hätte er weglassen können.