paniq – Beyond Good and Evil

This is Demostep Vol.1
or:
Showing the post-dubstep scene
what they should have been looking at
in the first place.

Paniq’s elftes Album Beyond Good and Evil begann als Spendenaufruf zur Schaffung des “most remarkable album on the entire planet” (wir berichteten). Trotz oder wegen dieser größenwahnsinnigen Ansage bekam er mehr Spenden als gefordert und musste nun seiner eigenen Ankündigung Taten folgen lassen und ein ganzes Album in wenigen Monaten aus dem Boden stampfen, nur mit Hilfe von open source Musikprogrammen, die er auch noch größtenteils selbst entwickelt hat, und sicher nur spärlich bekleidet in seiner Hamburger Wohnung 24 hours vor dem Rechner.

M
Bin mir unsicher, wie in diesem Zusammenhang nun zu verstehen ist, dass der Titel geändert wurde. Aber eigentlich ist “jenseits von gut und böse” ja nur ein Synonym für den Versuch das most remarkable album produzieren zu wollen. Gespannt war ich vor allem darauf, ob oder wie sehr man dem Album die kurze Zeit und den Druck anhört unter dem es zweifelsfrei entstanden sein muss.


Nach den ersten Titeln war ich zugegebenermaßen etwas enttäuscht, da einige der Stücke klar seine eigene Messlatte der Vergangenheit unterlaufen und eher wie Filler wirken (z.B. Cosmic Walken, an educated Simpleton). Schnell war ich dann aber versöhnt (siehe Anspieltipps). Denn die Paniq Kernkompetenzen sind klar vertreten: Melodien im Überfluss, Hooklines, Hooklines, dieses unbeschreibbare Demoscene-wow-Track Gefühl (v.a. bei den Basslines und den Psytrance-artigen Effekten hier und da), kurz aufblitzende Ironie und OpenSource Attitüde und gleichzeitig das Fehlen jedwedes Schreckens vor gut eingesetztem Kitsch.

Neu ist für mich, dass er seinen Sound auf die in 2010 vorherrschenden Einflüsse upgedated hat, die sein Album von den Vorgängern unterscheiden, nämlich dem deutlicheren Einsatz von fetten Eurotrance Leadlines wie in allen RnB/HipHop Produktionen und den kommerzielleren Dubstep Produktionen und überhaupt dem Dubstep-Enfluss, der sich v.a. in den Beats, den Wobblebässen und den Arrangements bemerkbar macht.

In Summe die unverwechselbare paniq DNA auf dem aktuellen 2010er Stand. Ein Album dass sich sehen lassen kann und nebenbei noch gleich als Gründungsmanifest des (zugegebenermaßen jetzt hier frei erfundenen) Genres Demostep dient. Denn ob er das jetzt gerne hört oder nicht: Die Zutaten seiner Musik passen v.a. mit den Trance-Lines und den Beats perfekt zu dem aktuellen Mainstream Popstep von der Insel.
In Summe Electronic Listening music auf höchstem Niveau!

Und ja quasi auch noch Fairtrade! Denn beim Kauf bestimmt man als User den Preis einfach selber und könnte auch 0 EUR eingeben (was aber unfair wäre angesichts dieses schönen Werkes.)

Und gleichzeitig für mich auch die Gelegenheit darauf hinzuweisen, wie unfair das Musikerleben doch ist: Hätte ein englischer “Post-Dubstep” Star genau das gleiche Album veröffentlicht, hätte ihn die Presse sicherlich zum nächsten Prime Minister heraufgehyped und die Musik als Post-post-dubstep elysium oder ähnliches orgasmisiert. Aus dem Rohmaterial würden Magnetic Man gleich zwei Alben basteln und mit Vocal-Einsatz und auf Pop gehyped sicher mehrere Top 40 Hits basteln.

Aber nein, es nicht von einem englischen Dubstep Star sondern von Paniq und trägt das Etikett “nerdige open source computer-schmalz-musik”. Niemals wird es auf BBC Radio1 laufen. Niemals wird Paniq am Wochende in 10 britischen Clubs zu Fantasiegagen auftreten (und seine Frau cheesige Vocals dazu auf der Bühne performen lassen). Niemals. Wo er das doch so verdient hätte!!! Lieber Leonard, zieh nach London und werde Dubstep Producer! :-)) Yes, you can!

J
“Einfachheit ist das Resultat der Reife” sagt Schiller. Dem kann man sich in Anbetracht dieses Paniq Werkes nur anschließen. Ein kruder Mix aus genial dahingerotzten Tracks ohne Attitüden und überbordenden Soundcollagen. Und es kommt so gut wie gar nicht vor, dass ich bei Musik denke, der M und ich sind die Zielgruppe. Aber diese Mukke ist genau gemacht für uns.

Orchestral, aber ohne die kitschigen Vocals, die mich krank machen. Funky, aber modern genug um auch dem Kollegen gerecht zu werden.
Und es sind wieder diese paniq-artigen Ideen vertreten (ich denke, dass ist, was der Kollege als paniq DNA beschreibt). Wie zum Beispiel kommt man auf die Idee einer Brücke aus Grand Theft Auto eine Hymne zu schreiben? (Track 11. Algonquin Bridge Anthem) Ist irgendwie naheliegend……. hat man aber eben selbst nicht gehabt diese Idee, genauso nicht Tränen zu vergiessen für John Marston (Track 12. I wept for John Marston).
Diese Tracks wirken fast wie Fremdkörper auf dem Album und ein Gesamtgefüge will sich für mich beim durchhören auch nicht erstellen. Es sind vielmehr einzelne Protagonisten, die sich wie zufällig trafen und doch eine Gemeinsamkeit zu haben scheinen. Diese gilt es zu entdecken.
Hören bildet!

Unsere Anspieltipps:
  • 07. The Only Way Out Is Through
    Epische Melodien, Tranceflächen, Filmscore Athmosphäre, Chöre. Diese Attribute hätte man früher allen möglichen Künstlern zugeordnet, sicher eher weniger Leuten im elektronischen Kontext. Hätte Paniq jedoch beim “Refrain” ein paar Oldschool Breakbeats hinzugefügt und eine Vocal-Line von Katy B. würde das Ding einige der Magnetic Man Stücke auf deren neuestem Album toppen. PS: Der Einsatz des Bläser Samples sollte ihm eigentlich Preise einbringen.
  • 08. One Second of Truce (The End of All Sorrow)
    Ha, wie lustig: Man nehme meinen Kommentar zu Nr. 07. und füge noch mehr Streicher, Kitschmelodien und einen sehr pathetischen Titel dazu. Und denke sich wieder Oldschool Breakbeats und wieder ein Katy B. Vocal dazu. ==> Lieber Leonard, jetzt verkauf’ die Dinger doch endlich an Benga oder Skream, damit die mal in Urlaub können und Du von den Tantiemen dann auch. Oder lass es wenigstens remixen… :-))
  • 09. Burning Tapestries
    Unheimlich gut gemachter Demotrack. Man braucht nur die Augen zumachen und die Farbrausch, Fairlight, etc. Grafikeffekte entstehen von ganz alleine. Die Basslines genial. Und ab 3:20 haut er so eine poppige Trancehookline raus, dass man sich wünscht, er würde das in einem Seitenprojekt äh kapitalisieren.
  • 13. Discordian Nights
    Macht mich total fertig. Perfekte Symbiose von Demostyle, the Prodigy Oldschool Piep Piep und Melodieüberschuss. Es fängt gleich an zu jucken und ich wünsche mir davon schmutzige Remixe.

In das Album rein hören und kaufen: http://music.paniq.cc/album/beyond-good-and-evil

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