Pendulum – In Silico

Cheesy Mainstream-Breitwand-Stadion-Rock-Rave-Sound.
(Kann Spuren von Drum’n Bass enthalten)

M
Nun ist es also raus, das zweite Pendulum Album. Klar, dass wir das hier besprechen müssen. Selten war bei mir die Anspannung auf ein Album grö?er als hier. Gehört doch deren Debut “Hold Your Colour” mit zu meinem absoluten Alltime Lieblingen und läuft bei mir fast in einem Atemzug mit Prodigy’s “Music for the jilted Generation”. Bevor ich jetzt aber über die CD selbst berichte, ist es fast interessanter, über die Berichterstattung über dieses zu berichten. Und obwohl das Thema – v.a. in der Drum’n Bass Presse – schon ordentlich breit getreten wurde, hier trotzdem nochmal als ?berblick:

Pendulum haben sich also seit dem oben erwähnten “Hold your Colour” zu den absoluten Drum’n Bass Megastars entwickelt. Durch die extrem “Stadion-Rock-Sound” Live-Konzerte und den poppig- rockig mainstreamigen Sound auch Leute zu Drum’n Bass geführt, die bisher damit nichts am Hut hatten. Die Geschichte zeigt, das sowas im analfixierten Underground-13-Jährigen-Forums-Gedisse das im “echten” Drun’n Bass üblich ist, natürlich zu sehr zwiespältigen Meinungen geführt hat. Mit jedem neuen Fan wuchs auch gleich die Horde der Disser. Und wer sich mal anschaut, mit welcher Akribie z.B. Pendulum DJ-Mixe von den Experts sekundenweise analysiert wird und dabei jeder ?bergang ausführlicher interpretiert wird als ein Kafka-Roman in der Abiturprüfung, der kann sich ausmalen, was nun passiert, wo das zweite Album rauskommt…

Die 3 Pendulum Macher kommen – klar für Australier – aus einem Metal Hintergrund und wollten nach eigener Aussage auf dem zweiten Album kein zweites “Hold Your Colour” voller Tracks wie ihrem Superhit “Slam” machen, sondern statt dessen ihre Metal Einflüsse “voll ausleben”. Dazu ist man noch zum Major Label Warner gewechselt. Von “Drum’n Bass” ist das Temo, ein paar Drumsounds und die cheesigen Lead-Sounds des Vorgängers übrig geblieben. Ansonsten von Rob Swire selbst eingesungene “Vocals” und Refrains, die jedem käsigen Pop-Europe-Glammetal Ehre machen.

Nach der Veröffentlichung dieses Albums geht’s derzeit in UK zumindest – für Drum’n Bass Verhältnisse – richtig ab: Top 5 in den UK Album Charts, Top 10 Single Charts, das hat schon Prodigy “Qualität”. Zudem noch Live-Acts auf so ziemlich jedem grö?eren Festival, auch und vor allem rockigere. Nun ist die Drum’n Bass Szene natürlich absolut erschüttert: Erstens wird jedem, der ordentlich verkauft, sofort der “sell out” unterstellt. Zweitens übertreten die Rock-Tracks dann doch sehr das szeneübliche “Reinheitsgebot”. Mit seltener Reserviertheit wurde z.B. der “exclusive Pendulum Track” vor Veröffentlichung von Annie Mac geradezu mit spitzen Fingern angefasst. In der Fabio-Show wurde die ganze Sendung eigentlich nur darüber mit Pendulum gesprochen, wie sehr man sie nun hasst in der Szene und das Fabio inständig hofft, dass in Zukunft wieder mal ein richtiges Drum’n Bass Album rauskommt. Oder die zweite Single “Propane Nightmares“: Diese wurde nach eigener Aussage von Pendulum extra als “na ja ein bissel DnB musste dann doch sein” verkauft. Aber gerade die wurde fast so zerrissen wie das letzte Prodigy Album

Insgesamt ist es schon erstaunlich, anzusehen, wie Pendulum die Erwartungen ihrer Fans so konsequent und bewusst nicht erfüllen (wollen). Um gleichzeitig mit dem neuen Weg noch erfolgreicher zu sein als vorher.

Zum Album selbst: Also hier bin ich sehr zwiespältig: Selbst mir sind die Leads diesmal einen Tick zu cheesy, der Gesang zu pathetisch und trancig, die Drums zu eintönig oder der Sound zu Breitwand-Matschig. Wobei es insgesamt immer noch unverkennbar Pendulum ist. Nur eben fast ohne “Drum’n Bass”. Live ist das aber sicher ein absolutes Highlight, denn es ist einfach der geborene Stadion-Rock-Sound. Nur mit fetteren Beats und genialeren Lead-Lines. Ein Klassiker wird das sicher nicht. Es fällt schon auf, das vieles doch etwas zusammengeschustert klingt. Zu oft wiederholen sich die Elemente und Effekte von Song zu Song. Vielleicht reissen es die Remixe raus. Aber man darf auch nicht zu viel erwarten: Vielleicht kann eine Gruppe in Ihrem Leben auch nur ein Meisterwerk wie “Hold Your Colour” abliefern und das wars? Würden wir hier Punkte vergeben, kämen vielleicht 5,5/10 raus. Nachvollziehbar ist aber auch, dass man das als die Reinkarnation des Bösen und absoluten Bockmist bezeichnen kann (vor allem “Otherside” kann man nur für einen sehr schlechten Witz halten). Der Scooter-Vergleich ist hier vielleicht noch angebrachter. Nur nicht “die Scooter des Drum’n Bass”, sondern “die Scooter des Metal”? Trotzdem muss man anerkennen, das die Jungs Ihren Stil nun gefunden zu haben scheinen und sich damit eine eigene Nische erarbeitet haben. So klingt wohl der “wahre” Australien-DnB. Auch wenn’s super-käsig klingt, aber sie sind damit einfach die 2007er Version von Prodigy.

Ich hoffe trotzdem auf’s nächste Album und darauf dass mal ein Live Konzert besuchen kann.

Anspieltipp:
  • 02. Different
    “We are going though a different phase” singt er hier. Und nur aufgrund meiner vielerwähnten Liebe zu absoluten Kitsch-Vocals kann ich diesem Stück in der Tat etwas abgewinnen. Und weil manche Lead-Lines aus dem 1087er C64 Spiel “Judge Dredd” geklaut zu sein scheinen.
  • 05. Midnight Runner
    Sicherlich das windigste Stück der CD, da es eine Art Medley aus allen gefundenen und unfertigen Song-Schnipseln zu sein scheint, die die Jungs noch so auf der Festplatte hatten.
  • 09. Granite
    Das war die erste Single-Auskopplung und sozusagen die Vorbreitung. Klingt aber ehrlich gesagt exakt wie “Blood Sugar”, nur rückwärts gespielt. Live sicherlich der Hit. Wie auch Blood Sugar.

J
Macht es bei so einem Sound überhaupt Sinn sich in Abstufungen darüber Gedanken zu machen? Pendulum ist NULL oder EINS, das ist für mich die einzig mögliche Einstufung. Und wenn es dann schon kracht, spielt es eine Rolle ob es dann und wann ein bisschen anderes kracht als an anderer Stelle? Nein. Sich über Musik, die bedingungslos rocken will und die Bein- und Kopfarbeit Fraktionen ENDLICH in Frieden auf der Tanzfläche vereinen will, länger als zehn Sätze Gedanken zu machen kann nur ein Widerspruch in sich sein!

Also bleiben mir nur noch folgende Anmerkungen:

  • 1. Der Schei? rockt!
    Und man kann dazu die Tanzfläche von Läden wie zum Beispiel dem Kaiserkeller oder dem Headbangers Ballroom polieren. Sehr schön.
  • 2. Auch ich fühlte mich an Prodigy erinnert, aber das schadet nicht.
    Und vielleicht sind sie ja auch die RMB des Hardrock?
  • 3. Will ich live sehen, bevorzugt in einem kleinen Club und überprüfen was meine Sprunggelenke noch so verkraften.
  • 4. Ich dachte Pendulum wollen D’n’B Leuten wie z.B. meinem lieben Kollegen Gitarren näher bringen.
    Und nicht andersrum. Und das ist Ihnen dann ja auch ein Stück weit gelungen. Alleine deshalb sollte ich in tiefer Dankbarkeit ergeben sein.
  • 5. Das war’s dazu von meiner Seite
    Au?er vielleicht, dass ich auch an Showdown und The Tempest gefallen finden kann. Wer also über die Musik grübeln will soll das machen, der Rest trifft sich auf der Tanzfläche oder im Stadion. Rock on!

In die CD reinhören:

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PS:
Und nur, damit wir hier nicht völlig als reaktionäre Spiesser-Redakteure verdammt werden: Eigentlich sollte dieser Review eine tolle Web2.0 Anwendung werden. Unter Einbeziehung der durch den User selbst einstellbaren persönlichen Präferenzen über Regler:

  • Käsigkeit (von “Hartkäse” bis “Frischkäse”)
  • Bretter-Härtegrad (von “Eukalyptus” bis “Bangkirai”)
  • Eurovision-Song-Contest-Pathos Level (von “Malta” bis “Finnland”, bzw. “Aserbaidschan”)
  • Breitwand in Metern (von “Public Viewing” bis zu “örtliche Multiplex Konkursverschleppungsruine”)

sollte dann das Ergebnis der Rezension errechnet werden. “Create your own instant review” sozusagen. Mitmach-Journalismums vom allerfeinsten. Aber die Idee war dann doch so gut, dass wir daraus jetzt ein Startup machen und darauf warten, dass Yahoo uns aufkauft. Der von uns unter 5-Promille-Einfluss erdachte absolute Wahnsinnsname www.myreviewtube.com ist aber tatsächlich schon vergeben (kein Witz!). Jetzt sparen wir noch Geld für den Online-Anwalt um sie zurückzuklagen.
Bis dahin müsst ihr euch noch gedulden, sorry.

3 Replies to “Pendulum – In Silico”

  1. Hab natuerlich erst den Bericht gelesen, als ich meine Laien-eMail schon gesendet hatte. Bitte um Entschuldigung. Dafuer aber doppelt gefreut ueber den Inhalt als auch ueber den Stil und die das setting des Berichts.
    Saubere Arbeit – wie immer!

    Vielen besten Dank,
    Gruesse aus Hong Kong,
    Sepp

  2. ?hm, hab sie mir paar Mal angehört und sie dann gelöscht…enttäuschend! Hab mir aber die Maxi geholt, da ist ein geiler Dubstep Remix drauf, den sie selbst gemacht haben…ergo:sie wissen eigentlich schon wie mans macht, haben aber dieses Mal gedacht, “lass mal Rock-Festival-Breakbeats mit mainstreamigem Radio-Charakter machen”…das haben sie zwar hinbekommen, aber wer will sowas hören?

  3. Hallo, obwohl ich erst seit kurzem so tief in die DnB szene abgetaucht bin, finde ich Pendulums In Silico ebenso gut wie Hold your Colour. ich muss zugeben das sie ein wenig an härte eingebü?t hat. doch möchte ich unterstreichen das es auch gute seiten hat, das die musik nicht immer wirklich gleich klingt. wenn ich mir ne rock album von band x anhöre dann hört sich das für mich immer gleich eintönig an. ich finde beide alben recht hörenswert, ja obwohl Hold your Colour sicherlich mehr meinem geschmack entpricht. doch angesichts der schmalen auswahl an vergleichbaren bands sollte man den jungs ihre selbstfindung ruhig gönnen. abzuwarten ist ob sie sich bei einem 3 studioalbum zurückbesinnen und auf den etwas härteren weg zurückkehren.
    Im übrigen finde ich zb auf in silico den track 9000 miles sehr gut, obwohl er sehr trancig klingt, liegt sicher auch daran das ich auch andere musik richtungen höre und nicht so sehr fixiert bin auf dnb
    MfG der Tom

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