Pukkelpop Tag 2: Dubstep und Sirenen


JM

Nach dem ersten Tag dachten wir nicht, dass wir überhaupt was an Tag 2 schaffen, aber in Summe war das dann doch ganz ordentlich:

  • Nero / Highbloo
    Gemessen an unseren Erwartungen, fanden wir Nero gar nicht so gut. Sie begannen zwar sehr angenehm mit leichtgängigem Dubstep aber es gab keine Steigerung. Und Drum’n’ Bass kam auch nicht. Aber später fanden wir dann raus, dass Nero krank war und statt dessen die Belgier Highbloo einsprangen. OK, Erwartungshaltung abgezogen waren sie dann doch nicht so schlecht.

  • Magnetic Man
    Die Supergroup des Dubstep bestehend aus Skream, Benga und Artwork durften wir live erleben. Jeder der drei an seinem Laptop am live jammen. Benga dazu mit sehr sympathischer Crowd-Anheizung (schau da mal genauer hin, lieber Keith…). Das war bisher der Act mit dem grö?ten “live” Erlebnis, es wurde wirklich gejammt, ständig änderten sich Tempi und Stimmung. Und bei den Hits wie “I need air” war dann das Publikum in totaler Extase. Das Beste hoben sie sich dann bis zum Schluss auf: Die neue Single “Perfect Stranger” ist eine Art Happy-Hardcore-Piano-Frauenvocals Hymne, die direkt auf das britische Daytime Radio zugeschnitten ist. Jaja Käseallergiker bitte wegschauen. Es war leider nicht ganz ungefährlich, da vor allem Connaisseur_M mehrmals nur ganz knapp einem Herzinfarkt vor lauter Glück entging.

    (Nur Zur Klarstellung: Wir wissen nicht, WAS die Leute in dem Video (nicht Pukkelpop!) so machen, aber zuhören tun die auf jeden Fall nicht. Wenn die Beats anfangen, setzen sich die Leute in der ersten Reihe grade mal ihre Sonnenbrillen auf, what the? Bei uns flog bei Perfect Stranger fast das Zelt auseinander)

  • Boris Dlugosch
    Der “Verlierer der Herzen” des Festivals. Sein Slot war um halb sieben nach 4 Stunden Wahnsinns-Gebretter. Und anstatt vom Gas zu gehen, treibt er es zum noch weiter und bollert den schlimmsten Prügel-Techno raus, den wir uns vorstellen können. Alles klingt exakt gleich und besteht nur aus bumm-bumm und gequietsche. Dazu gefühlte 20 Spackos auf der Bühne und ein Boris, der bei den wildesten ?bergängen und Drops nicht mal die Hände am Mischpult hat, sondern Prolo-mä?ig in der Luft. Hmm. Die Halle wurde von Minute zu Minute leerer.
  • Aeroplane DJ Set
    Also man stelle sich das so vor: Dem Gabber-Gebretter von Boris folgt Aeroplane und beginnt mit einem Geroge Michael Remix von “Faith”. Um dannach Pink Floyds “Another brick in the wall” zu spielen. Dann war die Halle wenigstens komplett leer, obwohl das eigentlich der zu dieser Stunde genau passende Sound war. Gepflegte Aeroplane Langeweile eben. Und mal eine klare Ansage: Hey, wenn man schon Geroge Michael remixt, dann aber so wie Vermin Twins, zu denen wir an Tag 3 gehen.
  • Hot Chip
    Obwohl wir hier ja gro?e äh, “Fans” von Hot Cip sind, wollten wir denen eine zweite (naja, eher 10te) Chance geben und uns die Live anschauen. Wir hatten viel positives gelesen. Gehört haben wir dann weniger positives. Miese Abmischung, die wenig stimmgewaltigen Sänger kommen Live noch schlechter rüber. Eher in Richtung hysterisches Gekreische. Das alles eingebettet in einer sehr gestelzt wirkenden Szenerie von gespielter Nerdig- und Nettigkeit (“ahh you know Joe Goddard cannot be here because his wife is expecting a baby huhuuuu“) – zum kotzen. ?brig bleibt dufte Weltmusik für die Pausen bei Wetten Dass zwischen Schumi und Andrea Berg. Anerkennen muss man aber, dass die Jungs Ihr Image zu 100% (vor-)spielen können. Die verträumten Pärchen im Publikum haben sicher auch genau das bekommen, was sie sich gewünscht hatten. Nutzwertfaktor also hoch, aber mit uns nun noch weniger kompatibel. Frech.
  • The Prodigy
    Auf der Main Stage (Open Air) wie auch schon Iron Maiden. Viel viel mehr Publikum als Iron Maiden, eigentlich das gesamte Festival. Jeder 4. mit Tour shirts. Die Show entsprach dann 1:1 der aktuellen Live-Show mit vielen Stücken aus dem letzten Album und immer genau zur richtigen Zeit ein Oldie eingeworfen. Open Air geht natürlich viel Atmosphäre verloren. Der Vergleich mit Iron Maiden vom Vortag fördert erstaunlich viele Parallelen zu Tage und zeigt einige Defizite. Die beiden MCs / Tänzer Keith Flint und Maxim afften arrogant hin und her und sahen aus, als bestünde Ihr Rider aus einerm Kilo Koks. Pro Person. Das ständig zur Schau gestellte “ich stech’ euch alle ab und bin der böse, böse Keith und schrei’ jetzt ganz, ganz laut “Fire” oder “Bitch” und bin auch sonst total böse” Attitüde wirkte dann doch etwas lächerlich für eine Dancekombo. Zumal man ihnen das Alter ja auch ansieht. Gegenüber Iron Maiden hatte Prodigy bei der Anzahl der Gäste aber eindeutig die Nase vorn. Summasumarum etwas enttäuschend, was aber sicher auch an der Freifläche liegt. In einer Halle wäre das sicher nochmal besser gewesen, aber dazu waren es eindeutig zu viele Zuschauer (siehe Pendulum an Tag 3).
  • Deadmau5
    Hatte seinen vielgelobten und Grammy-nominierten LED-Würfel dabei. Sonderpreis in der Kategorie “Beste Selbstinszenierung einer Marke”. Alle Hits in Medley-Form (Ist dieser Begriff bei elektronischer Musik überhaupt zulässig?) schön geremixt. Und Joel himself wie immer mal mit mal ohne Mauskopf. Könnte man so sicher auch in Las Vegas oder (haha) Disneyland zeigen. Kühl und glatt wie seine Progressivemukke eben. Zusatzpunkte für inszenierten Microsoft Bluescreen mitten im Set und Shutdown-Windows-Standard-Sound am Schluss. Tolle Show!
  • The XX
    Zur genau richtigen Zeit während eines Erschöpfungszustandes bestand Michi darauf, zu The XX zu gehen. Und es hat sich gelohnt: Die (Enkel?-)Kinder von The Cure’s Robert Smith an den Gitarren und ein “Drummer”, der live auf einem Drumpad mit den Fingern die HipHop Beats klopft (Beispiel). Die Stimmen der beiden Sänger harmonieren unglaublich gut. Sehr sparsamer Shoegazing-Emo-Folktronica für ruhige Momente.
  • Richie Hawtin presents Plastikman
    Uns Richie hinter seinem wahnsinns LED-Vorhang, auf dem alle Animationen perfect beatmatched liefen. “Zurück zu dem Geist gesichtsloser, rein auf die Musik reduzierter Rohenergie der Anfangstage des Techno” würde jetzt eine Wichtigkeitspostille schreiben. Oder hat schon. Live der Bringer, classik tekkno der konservativsten Sorte. Und er nur als Phantom immer für wenige Sekunden zu erkennen. Und statt Dauerbretter auch mal lange Zeit für den Aufbau von Stücken nehmen. Wer hat, der hat.
  • Digitalism
    In was für einer Welt leben wir, in der Digitalism (!) der langsamste Act des Abends ist??? Um Boris zu zeigen, wie man es richtig macht, spielten die beiden sich schön steigernde tanzbare Perlen und nahmen das Publikum mit. Highlight: ein Basement Jaxx Remix von Where’s your Head at. Hamburg ruled halt doch.