MIT – Nanonotes

Für Deine Überheblichkeitspunkte im Berechenbarkeitsbingo

M
Rezension ohne (Background-)Information. Ist das jetzt Drama, Dogma oder durchaus denkbar? Warum schickt mir Connaisseur_J ein Indieelectropop Album vom September 2010? Warum verstehen ich nicht, was er mir damit sagen will? Weil man die Band mit ihren Texten vor lauter Hallfahnen auch nicht verstehen soll. Überhaupt: Ist es gut, nach dem ersten verwirrten Höreindruck sofort alles nieder zu schreiben oder soll man seine eigene Haltung durch googeln dem von der Plattenfirma vorformatierten Bild anpassen?

Der erste Eindruck: Klingt so, wie man sich englische Jugend-Band-Hype-Typen vorstellt mit Majorlabel Vertrag und Heerscharen von Praktikanten in der Werbeagentur, die das virale Marketing erdenken. Nur halt auf Deutsch. Und extra fies mies produziert. Damit es nach Band klingt, sind die Drums nicht nur akustisch (damit die Rezensionen von “Drums nicht aus der Konservendose” schreiben können, buaäh) sondern auch noch schlimm pappig. Damit es nach Kraftwerk klingt, klingeln die allerweltigsten Akkorde und Sounds durch die Tracks, die man sich vorstellen kann. Damit die Message sitzt, klingen alle Songs sehr, sehr, sehr ähnlich.

Damit es jeder versteht, hat der Sänger die dazu passende Unmissverständlichkeitsbrille auf. Damit jeder weiß, wann er abgehen soll, bestehen die Bässe aus den meistgehörtesten Moog-Presets aller Zeiten. Damit die Plattenfirma auch kein Risiko eingeht, ist das in UK von Simian Mobile Disco’s James Ford produziert, der’s extra dumpf und schrecklich klingen lässt, damit auch der “die-sind.so-jung-und-frisch-und-alles”-Gag funktioniert. Und weil die Texte stellenweise sehr bemüht daherkommen, ertränkt man sie lieber mal im Hall, damit da auch keine Interpretationsanstrengung notwendig ist. Den UK Kids, die das hören, reichen ein paar deutsche Sprachfragmente auch völlig aus.


Weitere erste Assoziation beim erstan mal hören: “das sind sicher wichtige shoegazing-frisierte nerds, die dann bei Arte Tracks gefeatured werden”. Und klaro, natürlich waren die schon bei Arte Tracks (siehe Website). Also mindere Mucke zwar, jedoch eine große Hilfe darin, mir auf meine Entschlüsselung weitere Überheblichkeitspunkte im Berechenbarkeitsbingo einzubilden.

Nicht mehr witzig ist es, wie erfolgreich das Label sagt “wir nennen dieses allerwelts Synthiegedudel mit möchtegern Dadaismus-Texten einfach “Kraftwerk-in-2011” und hoffen darauf, dass dies dann bei allen den Kraftwerk=Götter=unkritische Vollbejahung-Reflex auslöst”. Dazu nimmt man jemand, der tatsächlich mit Kraftwerk zusammenarbeitete (hat Covers gemalt? “Texte für Kraftwerk geschrieben”? Ist das ein Witz?) um auch den letzten Zweifler gleichzuschalten. Googelt man das Album, sieht man, wie gut es funktioniert hat, jeder schreibt brav, wie kraftwerkig das ist. OK zweifach genial ist damit auch die Wahl auf James Ford SMD als Produzent, der so viele Analogsynths hat, dass selbst die Musiktechnikfraktion den Kraftwerk-Klos schlucktl.

Mir war allerdings ehrlicher weise entfallen, dass die Essenz von Kraftwerk reduzierte Billigsounds und fehlende Arrangements sind. Auch möchtegern-dadaismus-Texte hatte ich nicht (mehr?) mit Kraftwerk assoziiert. Ach so, MIT ist ja aus Köln und dürfen dass deutungshoheitstechnisch wohl eher machen.

Fazit:

Auf Re-Import frisiertes Hypegedudel mit zu cleverer Marketing-Strategie

.

Ein Satz geht mir nicht mehr aus dem Kopf, der hier so wahr zu sein scheint. So wahr:

Haha, ganz lustig, was Ihr da macht,
aber Ihr wirkt auf mich, wie ausgedacht.

J

Und alle so “Die Kölner transzendieren den Kraftwerk-Sound ins Jetzt“. Hallo Musikpresse! Hallo Blogs! Was ist denn da los. Wenn man aus einer langen Liste von Sätzen über dieses Album wählen sollte, ist dies der Dümmste für den man sich entscheiden konnte.
Und warum tut Ihr’s dann? Wer hat Euch das denn in die Feder diktiert, oder seid Ihr da am Ende selbst darauf gekommen und dann schreibt einer vom anderen ab.
Oder steht’s einfach so in der Presseinfo?
Die Connaisseure sagen:

MIT und Kraftwerk zu vergleichen oder eine konstruierte Nähe herzustellen ist Marketinggewäsch der dunklen Seite!

denn
erstens ist es genau umgekehrt und das Jetzt transzendiert sich in den Kraftwerk-Sound und zwar ohne jegliches zutun und zweitens ist inhaltsschwere Leere nicht automatisch Kunst.

Das Album hat ja durschaus gute Ansätze, aber definitiv nicht das notwendige Potential für elf Songs und was die Text betrifft:
Pudong ist für mich ein mögliche Richtung in die es gehen könnten.
Nämlich Wortwitz, Story und Interpretationsmöglichkeiten clever zu verbinden und so aufzubearbeiten, dass die “Crwod” live trotzdem ein paar Wortfetzen mitgrölen kann.
An andere Stelle hege ich aber Aversionen.
Folg’ ich diesen Spuren ist es nicht mehr weit. Lauf’ ich diese Straße lang bin ich gleich da” in monotoner Wiederholung in Hydra oder ausgelutschtes wie “Schnell langsam, langsam schnell, hell dunkel, dunkel hell” in Univers ist weder frisch sondern schlichtweg langweilig und hat ungefähr den Innovationscharme von Atomenergie, womit wir dann ja doch wieder bei Krafterk wären deren Radioactivity wiedermal ungeahnte Aktualität hat.

Also MIT, nachbessern statt nacheifern und dann hören und kaufgen wir das nächste Album auch wieder!

Und ein Dank’ an A.A, der mich auf dieses Album aufmerksam gemacht hat.

Unsere Anspieltipps:
  • 02. Fieber
    Rund. Auch wenn ich keine Wälder baue………..
  • 04. Pudong
    Ist natürlich nicht alles schlecht. Hier mal die guten Seiten, und trotz der Hallvocals ist das annehmbar anhörbar. Und auch einigermaßen ankuckbar.
  • 08. Figur
    Klingt im Endeffekt genau wie die 02. Aber das ist ja das Problem dieser Scheibe.

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